Einige der Emaús-Companheiros, von links nach recht: Geraldo, Janice, Erivânia (Emaús Fortaleza), Jandiara und Jerri (im Hintergrund der Capoeira Lehrer Berico)
Emaús Novos Alagados wurde 2012 gegründet, um mehrere schon seit vielen Jahren bestehende soziale Einrichtungen in der Favela zu unterstützen und finanziell abzusichern. Die Companheiros von Emaús sind hier aufgewachsen und engagieren sich seit Mitte der 70er Jahre für die Belange ihrer Mitmenschen. Ihre Arbeit hat die Favela in ihrer Entwicklung entscheidend geprägt, aber das ist ein eigenes Kapitel. Die wichtigste soziale Einrichtung in Novos Alagados ist das Jugendzentrum Cluberé. Und Emaús ist im Prinzip der Trägerverein für den Cluberê und die weiteren soziale Projekte. Als Quelle der Finanzierung dient eine Kreislaufwirtschaft und der Verkauf von Second-Hand-Ware. Ein vergleichbares Projekt hat die Brasilien-Cooperative schon in den 90er Jahren in Fortaleza mit aufgebaut. Das Konzept bzw. die Idee dahinter ist denkbar einfach:
Emaús Novos Alagados was founded in 2012 to support and financially secure several long-standing social institutions in the favela. The Emaús companheiros grew up here and have been committed to the needs of their fellow residents since the mid-1970s. Their work has had a decisive influence on the favela's development. The most important social institution in Novos Alagados is the Cluberé, a youth center. Emaús is essentially the sponsoring organization for Cluberê and its other social projects. Its funding is provided through a circular economy and the sale of secondhand goods. The concept, or rather the idea behind, is incredibly simple:
Die Ober- und Mittelschicht in Brasilien hat ein anderes Konsumverhalten als die ärmere Bevölkerung. Kleidung, Möbel, Haushaltsgeräte, Fernseher und viele andere Dinge werden häufig durch Neuanschaffungen ersetzt, ohne dass diese wirklich auf oder kaputt sind. Nach telefonischer Absprache holt Emaús diese gebrauchten Sachen als Schenkungen in den besseren Stadtvierteln ab. In den projekteigenen Werkstätten werden sie ausgebessert bzw. repariert und danach als Second-Hand-Waren verkauft. Was für die Reichen eine Entsorgung ist, ist für die Armen eine Versorgung mit Gütern zu günstigen Preisen.
The upper and middle class in Brazil have different consumption habits than the poorer population. Clothing, furniture, household appliances, televisions, and many other items are often replaced with new purchases, even if they aren't broken. After prior arrangement by phone, Emaús collects these used items as donations. They are repaired or restored in project's own workshops and then sold as secondhand goods. What is disposal for the rich is a supply of goods at affordable prices for the poor.
Verkauft wird in einer 500 qm großen Halle, in der ursprünglich mal die Textilfabrik CEPRIMA und später eine Druckerei untergebracht waren. Diese Halle war viele Jahre ungenutzt und wurde 2012 zum Emaús-Zentrum umgebaut. Die während der Woche abgeholten Sachen werden gesäubert, repariert und mit Preisen ausgezeichnet. Jeden Samstag findet dann von 8 bis 13 Uhr der Bazar statt. Der größte Teil der Halle dient als Verkaufsraum, an einer Seite und am Kopfende wurden Werkstätten eingerichtet.
Sales take place in a 500-square-meter hall that originally housed the CEPRIMA, a former textile factory. This hall was unused for many years and was converted into the Emaús Center in 2012. Items collected during the week are cleaned, repaired, and priced. The bazar takes place every Saturday from 8 to 1 p.m.
Neben dem Handel mit Second-Handware, der das Hauptgeschäft von Emaús ausmacht, gibt es auch noch das Rohstoffrecycling: Altpapier, Glas, Metall und andere Materialien werden sortiert und gesammelt. Sobald eine ausreichende Menge zusammen gekommen ist, werden diese Rohstoffe an einen Großhändler verkauft. Für 1 kg Alteisen werden umgerechnet etwa 5 Cent bezahlt. Das ist nicht viel, aber bei größeren Mengen lohnt es sich. Und schließlich ist Recycling ganz allgemein sehr sinnvoll, weil es die Ressourcen dieser Erde und damit die Umwelt schont.
In addition to trading in second-hand goods, which is Emaús's core business, there is also raw material recycling: wastepaper, glass, metal, and other materials are sorted and collected. Once a sufficient quantity has been collected, these raw materials are sold to a wholesaler. The equivalent of about 5 cents is paid for 1 kg of scrap iron. That's not much, but for larger quantities, it's worth. Finally, recycling generally makes a lot of sense because it conserves the earth's resources and thus the environment.
In den letzten Jahren wurde die Halle erweitert, so daß die Schreinerei vergrößert und in den hinteren Hallenbereich vergelagert werden konnte. Auch aufgrund der Staub- und Lärmbelastung konnten die Holzarbeiten nicht mehr in unmittelbarer Nähe vom Verkaufsraum erfolgen. Die Schreinerei ist die wichtigste von allen Werkstätten, denn Emaús erhält sehr viele Möbel. Häufig sind es nur Kleinigkeiten, die repariert werden müssen, und die Möbelstücke können direkt in den Verkauf.
In recent years, the hall has been expanded, allowing the carpentry workshop to be enlarged and relocated to the rear of the hall. Due to dust and noise pollution, the woodwork could no longer be carried out in the immediate vicinity of the sales area. The carpentry workshop is the most important of all the workshops, as Emaús receives a large amount of furniture. Often, only minor repairs are needed, and the furniture can be sold directly.
Die Arbeit in den Werkstätten kam erst richtig in Gang, als wir mit Hilfe des Lateinamerikazentrum im Jahre 2015/2016 Fördermittel des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit) erhielten. Mit diesen Geldern konnten wir die Werkstätten ausstatten, einen Kleintransporter anschaffen und ein Ausbildungsprojekt für 20 Jugendliche starten. In den Emaús-Werkstätten findet der praktische Teil des Unterrichtes statt, in den Räumen des renovierten Cluberê die Theorie.
The work in the workshops got going when we received funding from the BMZ (German Federal Ministry for Economic Cooperation and Development) in 2015/2016 with the help of the Latin America Center. With this funding, we were able to equip the workshops, purchase a small van, and launch a training project for 20 young people. The practical part of the lessons takes place in the Emaús workshops, while the theoretical part takes place in the renovated Cluberê's rooms.
In den Jahren 2018 und 2019 haben wir unsere Projektbesuche dazu genutzt, persönlich mit anzupacken und da zu helfen, wo es gerade dringend gebraucht wurde. So haben wir gemeinsam mit einem Schweizer Freund - ein pensionierter Maurer - ein Abdach gebaut, eine Mauer auf dem Emaúsgelände erhöht und sind auch mehrmals mitgefahren, um Schenkungen einzusammeln.
In 2018 and 2019, we used our project visits to personally get involved and help where it was urgently needed. Together with a Swiss friend – a retired bricklayer – we built a roof, raised a wall on the Emaús site, and even went out with the small van several times to collect donations.
Emaús ist übrigens eine weltweit tätige Hilfsorganisation, die nach dem 2. Weltkrieg in Frankreich als Lumpensammlerbewegung gegründet wurde. Heute gibt es allein in Südamerika über 20 Emaús-Vereine. Am Aufbau der ersten Emaús-Gruppe im Nordosten Brasiliens - Emaús Amor e Justiça - haben wir maßgeblich mitgewirkt.
Emaús, by the way, is a global aid organization founded in France after World War II as a ragpicker movement. Today, there are over 20 Emaús associations in South America alone. We played a key role in establishing the first Emaús group in northeastern Brazil: Emaús Amor e Justiça.
Wie bereits oben erwähnt, die Arbeit von Emaús dient der langfristigen Finanzierung und Absicherung der sozialen Projekte. In Novos Alagados sind das der Cluberê, die Kinderkrippe Lazzarotto und die Escola Popular.
As mentioned above, Emaús' work serves to ensure long-term financing and security for social projects. In Novos Alagados, these include the Cluberê, the daycare center Lazzarotto, and the Escola Popular.
Die sozialen Projekte:
Im Cluberê werden Sport-, Tanz-, Musik- und Capoeira-Unterricht angeboten. Außerdem gibt es eine Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfeunterricht. In der Favela sind oft beide Elternteile darauf ange-wiesen, den Familienunterhalt zusammen zu bekommen. Deshalb ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen sich auch außerhalb der Schulzeit sinnvoll und kreativ zu beschäftigen.
The Cluberê offers sports, dance, music, and capoeira classes. Homework support and tutoring are also available. In the favela, very often both parents have to take care to support the family. Therefore, it's important that children and young people have meaningful and creative activities outside of school hours.
Gegenüber des Cluberé befindet sich die Kita São José Operário, die ebenfalls bereits Anfang der 80er Jahre gegründet wurde. Es sind insgesamt 60 Kinder eingeschrieben sind, die sich auf zwei Gruppen verteilen: eine Kindergartengruppe mit Kindern von 2 bis 5 Jahren und eine weitere Vorschulgruppe mit 5 bis 6-jährigen Kindern. Beide Gruppen werden von 5 Erzieherinnen jeweils 8 Stunden am Tag betreut. Wie im Cluberé gibt es auch hier mittags eine sogenannte "merenda", also eine Schulspeisung. Die Kita wird maßgeblich durch den Verein Campo Limpo aus Puchheim unterstützt, mit dem wir inzwischen in engem Austausch stehen.
Opposite the Cluberé is the Lazzarotto daycare center, which was also founded in the early 1980s. A total of 60 children are enrolled, divided into two groups: a kindergarten group with children aged 2 to 4, and another preschool group with children aged 5 to 6. Both groups are supervised by five teachers for eight hours a day. Like the Cluberé, there is a so-called "merenda," a school lunch. The daycare center is significantly supported by the Puchheim-based association Campo Limpo, with whom we are in close contact.
Schulen in der Favela sind in der Regel keine staatichen Schulen. Auch die Escola Popular war immer eine sogenannte "escola comunitária". Es sind Schulen, die der Staat unter bestimmten Voraussetzungen anerkennt, die aber keinen Zugang zu öffentllichen Mitteln haben. Die Escola Popular wurde in den 80er Jahren gebaut, bis 2011 wurden hier jedes Jahr 120 Kinder unterrichtet. Heute erfüllt das Gebäude nicht mehr die staatlichen Voraussetzungen. Deshalb muss die Schule von Grund auf renoviert werden.
Schools in a favela are typically not state-run. The Escola Popular has always been a so-called "escola comunitária," a school recognized by the state under certain conditions, but without access to public funding. The Escola Popular was built in the 1980s and, until 2011, taught 120 children there each year. Today, the building no longer meets state requirements. Therefore, the school needs to be completely renovated.