Brasilien-Cooperative-Haltern e.V.
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Besuchsbericht vom 7.01.2025, Fortaleza

In 2024 hat der Verein O Pequeno Nazareno (OPN) an einer Ausschreibung eines großen brasilianischen Konzerns teilgenommen. Ausschreibungen sind eine in Brasilien ganz übliche Form der Finanzierung von nicht staatlichen Projekten. Bernardo und sein Team hatten vor einigen Jahren schon einmal das Glück. Mit dem neuen Vertrag ist die Finanzierung seiner Arbeit für weitere drei Jahre gesichert. Bedingung war, dass die soziale Arbeit in den Elendsvierteln auf 7 weitere Städte ausgedehnt werden muss. Keine leichte Aufgabe, denn in jeder dieser Städte müssen 2-3 neue Leute eingestellt werden. Aber der Verein ist dank der Nationalen Kampagne einer der am besten vernetzten Vereine in ganz Südamerika und dürfte keine Probleme haben, genügend der richtigen Leute für diese Arbeit zu finden. Schon Mitte dieses Jahres wird der OPN weit über 100 Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeiter im Einsatz haben.

 

Gemeinsam mit Bernardo und seiner Mitarbeiterin Flaviana haben wir zunächst die Landbesetzung „Lagoa Urubú“ besucht. Landbesetzungen finden dort statt, wo ein Stück Land nicht genutzt wird. Es entstehen oft über Nacht kleinere Siedlungen aus einfachen Baracken, in denen die Zugezogenen hausen. Nicht immer können die Menschen dort bleiben, sehr häufig werden diese Besetzungen mit Planierraupen platt gemacht und sie stehen wieder ohne ein Dach über dem Kopf dar. Wenn sie ein Jahr lang nicht vertrieben werden, haben sie gewisse Rechte und der willkürlichen Vertreibung sind Grenzen gesetzt; auch in diesen Prozessen steht der OPN den Menschen bei.  

Die Besetzung am Lagoa Urubú gibt es erst seit kurzer Zeit. Die Hütten sind noch sehr wackelig und nicht regendicht. Hier gibt es keine Kanalisation, keine Abflüsse und kein fließendes Wasser. Die Menschen leben immer in der Angst, dass ihnen durch eine Räumung im wahrsten Sinne des Wortes der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Der OPN hilft zunächst mit einfachen Baumaterialien (Holz, Wellblech, etc.), um die Hütten zu befestigen und regendicht zu machen. Sehr häufig haben die Menschen keine gültigen Dokumente. Ohne diese Dokumente können sie und ihre Familien nicht an staatlichen Hilfsprogrammen teilnehmen. Es werden Medikamente benötigt, Fahrten zum Krankenhaus organisiert und vieles andere mehr. Es sind Sofortmaßnahmen für bedürftige Familien, die der OPN als Erstes organisiert. Parallel dazu wird geschaut, welche Kinder und Jugendlichen eine Kita oder einen Platz in der Schule benötigen. Bei allem, was mit öffentlichen Behörden zu tun hat (wie bspw. eine Einschulung), ist Hilfestellung sehr wichtig. Es fehlt zum einen am notwendigen Selbstbewusstsein, um auf Behörden zuzugehen. Zum anderen haben sie schlicht und ergreifend keine Zeit, sich um all diese Dinge zu kümmern, denn ihre Familien müssen ernährt werden. 

Nachmittags haben wir eine weitere Landbesetzung besucht, die es schon etwas länger gibt. Sie hat den Namen "Vicente Pinzón“ und liegt zwischen dem Hafen und dem Strand Praia Futuro. Hier ist der OPN schon seit mehreren Jahren tätig. Sein Ausbildungsprogramm ist bekannt und die Kinder vieler Familien haben schon daran teilgenommen. Mit der Ausbildung hat Bernardo bereits vor über 10 Jahren begonnen. Jedes Jahr bekommen 250 junge Menschen die Chance, sich durch berufsnahe Kurse auf ein späteres Arbeitsleben vorzubereiten. Viele kommen aus schwierigen Familien-verhältnissen und was für andere normal ist, müssen sie mühsam erlernen und trainieren. Hierfür stehen ihnen die Mitarbeiter des OPN zur Verfügung. Die Schulabgänger werden weiterhin für ein Jahr in den Firmen betreut und professionell begleitet. Dank dieser sehr intensiven Betreuung liegt die Abbrecherquote bei unter 5%, das heißt 95% der Jugendlichen nutzen ihre Chance und schaffen den Absprung in ein geordnetes Leben, gründen Familien und können mit ihren Kindern ein Leben unter ganz anderen Bedingungen führen. 

Erwähnen muss man leider auch die in allen Favelas präsenten Drogenkartelle, ohne die nichts läuft. Der OPN stellt ihre Macht nicht in Frage, ansonsten wäre die Arbeit so nicht möglich. Wenn man sich diese Dimension einer Parallelgesellschaft vor Augen führt, können all die Mühen geradezu sinnlos erscheinen. Aber was wären die Alternativen? Was würde aus diesen Kindern, wenn sie diese Chance nicht bekämen? Viele würden in den kriminellen Strukturen der Favela ihre Zukunft finden, der Teufelskreislauf bliebe in Gang. Es ist ohne Frage ein klassisches Staatsversagen. Umso wichtiger, dass es Menschen wie Bernardo und sein Team OPN gibt, die in die Bresche springen und sich hier engagieren.

 

Bernd Kemper 

Seit 1983

 

 

 

 

 

 

 

 

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