Emaús Novos Alagados wurde gegründet, um mehrere schon seit vielen Jahren bestehende soziale Einrichtungen in der Favela zu unterstützen und finanziell abzusichern. Die Com-panheiros von Emaús sind hier aufgewachsen und engagieren sich seit Mitte der 70er Jahre für die Belange ihrer Mitmenschen. Ihre Arbeit hat die Favela in ihrer Entwicklung entscheidend geprägt, aber das ist ein eigenes Kapitel. Die wichtigste soziale Einrichtung in Novos Alagados ist das Jugendzentrum Cluberé. Und Emaús ist im Prinzip der Trägerverein für den Cluberê und die weiteren soziale Projekte. Als Quelle der Finanzierung dient eine Recyclingarbeit und der Verkauf von Second-Hand-Ware. Ein vergleichbares Projekt hat die Brasilien-Cooperative schon in den 90er Jahren in Fortaleza mit aufgebaut. Das Konzept bzw. die Idee dahinter ist denkbar einfach:
Die Ober- und Mittelschicht in Brasilien hat ein anderes Konsumverhalten als die ärmere Bevölkerung. Kleidung, Möbel, Haushaltsgeräte, Fernseher und viele andere Dinge werden häufig durch Neuanschaffungen ersetzt, ohne dass diese wirklich auf oder kaputt sind. Nach telefonischer Absprache holt Emaús diese gebrauchten Sachen als Schenkungen in den besseren Stadtvierteln ab. In den projekteigenen Werkstätten werden sie ausgebessert bzw. repariert und danach als Second-Hand-Waren verkauft. Was für die Reichen eine Entsorgung ist, ist für die Armen eine Versorgung mit Gütern zu günstigen Preisen.
Verkauft wird in einer 500 qm großen Halle, in der ursprünglich mal die Textilfabrik CEPRIMA und später eine Druckerei untergebracht waren. Diese Halle war viele Jahre ungenutzt und wurde 2012 zum Emaús-Zentrum umgebaut. Die während der Woche abgeholten Sachen werden gesäubert, repariert und mit Preisen ausgezeichnet. Jeden Samstag findet dann von 8 bis 13 Uhr der Bazar statt. Der größte Teil der Halle dient als Verkaufsraum, an einer Seite und am Kopfende wurden Werkstätten eingerichtet.
Neben dem Handel mit Second-Handware, der das Hauptgeschäft von Emaús ausmacht, gibt es auch noch das Rohstoffrecycling: Altpapier, Glas, Metall und andere Materialien werden sortiert und gesammelt. Sobald eine ausreichende Menge zusammen gekommen ist, werden diese Rohstoffe an einen Großhändler verkauft. Für 1 kg Alteisen werden umgerechnet etwa 5 Cent bezahlt. Das ist nicht viel, aber bei größeren Mengen lohnt es sich. Und schließlich ist Recycling ganz allgemein sehr sinnvoll, weil es die Ressourcen dieser Erde und damit die Umwelt schont .
In den letzten Jahren wurde die Halle erweitert, so daß die Schreinerei vergrößert und in den hinteren Hallenbereich vergelagert werden konnte. Auch aufgrund der Staub- und Lärmbelastung konnten die Holzarbeiten nicht mehr in unmittelbarer Nähe vom Verkaufsraum erfolgen. Die Schreinerei ist die wichtigste von allen Werkstätten, denn Emaús erhält sehr viele Möbel. Häufig sind es nur Kleinigkeiten, die repariert werden müssen, und die Möbelstücke können direkt in den Verkauf.
Die Arbeit in den Werkstätten kam erst richtig in Gang, als wir mit Hilfe des Lateinamerikazentrum im Jahre 2015/2016 Fördermittel des BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit) erhielten. Mit diesen Geldern konnten wir die Werkstätten ausstatten, einen Kleintransporter anschaffen und ein Ausbildungsprojekt für 20 Jugendliche starten. In den Emaús-Werkstätten findet der praktische Teil des Unterrichtes statt, in den Räumen des renovierten Cluberê die Theorie.
In den Jahren 2018 und 2019 haben wir unsere Projektbesuche dazu genutzt, persönlich mit anzupacken und da zu helfen, wo es gerade dringend gebraucht wurde. So haben wir gemeinsam mit einem Schweizer Freund - ein pensionierter Maurer - ein Abdach gebaut, eine Mauer auf dem Emaúsgelände erhöht und sind auch mehrmals mitgefahren, um Schenkungen einzusammeln.
Emaús ist übrigens eine weltweit tätige Hilfsorganisation, die nach dem 2. Weltkrieg in Frankreich als Lumpensammlerbewegung gegründet wurde. Heute gibt es allein in Südamerika über 20 Emaús-Vereine. Am Aufbau der ersten Emaús-Gruppe im Nordosten Brasiliens - Emaús Amor e Justiça - haben wir maßgeblich mitgewirkt.
Wie bereits oben erwähnt, die Arbeit von Emaús dient der langfristigen Finanzierung und Absicherung der sozialen Projekte. In Novos Alagados sind das der Cluberê, die Kinderkrippe São José Operário und die Escola Popular.
Die sozialen Projekte:
Im Cluberê werden Sport-, Tanz-, Musik- und Capoeira-Unterricht angeboten. Außerdem gibt es eine Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfeunterricht. In der Favela sind oft beide Elternteile darauf ange-wiesen, den Familienunterhalt zusammen zu bekommen. Deshalb ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen sich auch außerhalb der Schulzeit sinnvoll und kreativ zu beschäftigen.
Gegenüber des Cluberé befindet sich die Kita São José Operário, die ebenfalls bereits Anfang der 80er Jahre gegründet wurde. Es sind insgesamt 60 Kinder eingeschrieben sind, die sich auf zwei Gruppen verteilen: eine Kindergartengruppe mit Kindern von 2 bis 5 Jahren und eine weitere Vorschulgruppe mit 5 bis 6-jährigen Kindern. Beide Gruppen werden von 5 Erzieherinnen jeweils 8 Stunden am Tag betreut. Wie im Cluberé gibt es auch hier mittags eine sogenannte "merenda", also eine Schulspeisung. Die Kita wird maßgeblich durch den Verein Campo Limpo aus Puchheim unterstützt, mit dem wir inzwischen in engem Austausch stehen.
Die Schulen in der Favela gelten als "escolas comunitárias". Sie gelten als Privatschulen, wobei Vereine wie die Associação Primeiro de Maio als Träger fungieren. Die Escola Popular stammt aus der Gründerzeit des Vereins. Hier werden 60 Kinder im Vorschulalter für 4 Stunden am Tag betreut.